27. März 2020

Aktuelles Urteil des EuGH zum Widerrufsrecht für Darlehensverträge

Die von Verbraucherrechtsanwälten kritisierte Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zu dem sog. „Kaskadenverweis“ wurde nunmehr vom Gerichtshof der Europäischen Union aufgehoben.

Was ist ein Kaskadenverweis?

In den nach dem 10.06.2010 abgeschlossenen Darlehensverträgen wurde die folgende Formulierung verwendet:

„Der Darlehensnehmer kann seine Vertragserklärung innerhalb von 14 Tagen ohne Angabe von Gründen in Textform (z. B. Brief, Fax, E-Mail) widerrufen. Die Frist beginnt nach Abschluss des Vertrages, aber erst, nachdem der Darlehensnehmer alle Pflichtangaben nach § 492 Abs. 2 BGB (z. B. Angabe zur Art des Darlehens, Angabe zum Nettodarlehensbetrag, Angabe zur Vertragslaufzeit) erhalten hat.“

Nach dieser Formulierung beginnt die Widerrufsfrist nachdem der Darlehensnehmer alle Pflichtangaben nach § 492 Abs. 2 BGB erhalten hat. In § 492 Abs. 2 BGB sind allerdings keine Pflichtangaben zu finden, da § 492 Abs. 2 BGB auf ein anderes Gesetz, „Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch (EGBGB)“, verweist. Um die Pflichtangaben zu bestimmen, muss sich der Verbraucher im EGBGB also noch mit weiteren Verweisen auseinandersetzen.

Was hatte der Bundesgerichtshof zu diesem „Kaskadenverweis“ entschieden?

Der Bundesgerichtshof war der Auffassung, dass dem Verbraucher nach diesem Kaskadenverweis zumutbar ist, die Pflichtangaben für den Beginn der Widerrufsfrist zu bestimmen. So hat der BGH in dem Leitsatz ausgeführt:

„a) Die Wendung in einem Verbraucherdarlehensvertrag, die Widerrufsfrist beginne nach Abschluss des Vertrags, aber erst, nachdem der Darlehensnehmer alle Pflichtangaben nach § 492 Abs. 2 BGB erhalten hat, informiert für sich klar und verständlich über den Beginn der Widerrufsfrist. 

b) Erläutert der Darlehensgeber den Verweis auf § 492 Abs. 2 BGB mittels in Klammern gesetzter Beispiele für Pflichtangaben, informiert er den Darlehensnehmer klar und verständlich über die Voraussetzungen für das Anlaufen der Widerrufsfrist, wenn es sich bei den von ihm genannten Beispielen um auf den Vertragstyp anwendbare Pflichtangaben im Sinne des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche handelt.“ (BGH, Urteil vom 22.11.2016 – XI ZR 434/15)

Was hat der Gerichtshof der Europäischen Union entschieden?

Diese Auffassung hat das LG Saarbrücken nicht geteilt und hat diese dem EuGH vorgelegt. Der EuGH kam nun zum gleichen Schluss:

„Wie sich aus Art. 14 Abs. 1 Unterabs. 2 Buchst. b der Richtlinie 2008/48 ergibt, beginnt die Widerrufsfrist erst zu laufen, wenn dem Verbraucher die Informationen gemäß Art. 10 dieser Richtlinie übermittelt wurden, sofern der betreffende Zeitpunkt nach dem Tag des Abschlusses des Kreditvertrags liegt. Besagter Art. 10 zählt die Informationen auf, die in Kreditverträgen anzugeben sind. 

Verweist aber ein Verbrauchervertrag hinsichtlich der Informationen, die nach Art. 10 der Richtlinie 2008/48 anzugeben sind, auf bestimmte Vorschriften des nationalen Rechts, so kann der Verbraucher auf der Grundlage des Vertrags weder den Umfang seiner vertraglichen Verpflichtung bestimmen noch überprüfen, ob der von ihm abgeschlossene Vertrag alle nach dieser Bestimmung erforderlichen Angaben enthält, und erst recht nicht, ob die Widerrufsfrist, über die er verfügen kann, für ihn zu laufen begonnen hat.“ (EuGH, Urteil vom 26.03.2020 – C 66/19)

Für den EuGH ist nicht ausreichend, wenn der Verbraucher allein auf der Grundlage des Vertrages die Widerrufsfrist nicht bestimmen kann, sondern auf die Vorschriften des nationalen Rechts verwiesen wird.

Welche Folgen hat das Urteil des Europäischen Gerichtshofes? 

Nach dieser EuGH-Rechtsprechung können Verbraucher ihre Willenserklärungen widerrufen. Betroffen sind nicht nur Immobiliardarlehensverträge, sondern auch Autofinanzierungen. Aufgrund dieses EuGH-Urteils rechnen wir mit einer erhöhten Vergleichsbereitschaft der Banken.

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Alexander Münch
Alexander Münch

Rechtsanwalt aus der Anwaltskanzlei Lenné.

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